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In diesem Abschnitt stellen wir dar, wie die einzelnen Varianten des Harninkontinenz entstehen können. Dabei gliedern wir:
Eine Belastungsinkontinenz hat häufig mit einem geschwächten Beckenboden zu tun. Der Beckenboden ist die untere Begrenzung des Beckens und besteht aus Muskeln sowie Bindegewebe. Er ist zwischen Steißbein, Schambein und den zwei seitlichen Stitzbeinhöckern positioniert. Die Bänder und Muskeln des Beckenbodens sind wichtig für die Stabilität der Beckenorgane. Sie stützen außerdem den Schließmuskel der Blase.
Eine Belastungsinkontinenz trifft Frauen deutlich häufiger als Männer. Das hat mit ihrem breiteren Becken zu tun und auch mit ihrer im Vergleich zum männlichen Geschlecht schwächeren Beckenbodenmuskulatur. Außerdem hat ihr Beckenboden drei Durchtrittsstellen - für Enddarm, Harnröhre sowie Scheide - und damit eine mehr als Männer. Sie haben also drei statt zwei mögliche Schwachstellen, die ihren Beckenboden in Mitleidenschaft ziehen können.
Ihr Beckenboden ist zudem durch Schwangerschaften und Geburten besonderen Herausforderungen ausgesetzt. So kann etwa in den letzten Monaten einer Schwangerschaft eine oft leichte Belastungsinkontinenz auftreten. Ein Problem, das sich nach der Entbindung meist wieder gibt. Auch die Entbindung selbst ist ein Risikofaktor und kann eine Inkontinenz zur Folge haben (postpartale Harninkontinenz). Meist verschwindet dieses Problem innerhalb eines Jahres nach der Geburt. Unterstützend kann ein Beckenbodentraining wirken, das auch eine sehr gute Möglichkeit ist, einer Harninkontinenz vorzubeugen (siehe Kapitel "Behandlung").
Das empfindliche Beckengewebe kann aber auch durch Operationen oder Verletzungen in Mitleidenschaft gezogen werden. Das kann dazu führen, dass die Bänder regelrecht ausleiern und in der Folge das Bindegewebe nachgibt. Dieser Vorgang kann auch durch hormonelle Veränderungen in der Menopause verursacht oder zumindest mitverursacht werden. Oft spielt auch eine genetische Veranlagung für ein schwaches Bindegewebe eine Rolle. So kann sich das gesamte Gefüge des Beckenbodens verschieben. Die Organe des Beckens sinken dadurch in Richtung des Damms ab.
Ein weiterer Risikofaktor sind Verletzungen oder Reizungen der Nerven infolge von Unfällen, operativen Eingriffen oder einer Entbindung. Das kann zu Störungen der Signalweiterleitung führen, wodurch die Beckenbodenmuskeln sozusagen falsche oder verspätete Signale erhalten.
All das kann bewirken, dass der Schließmuskel der Blase nicht mehr richtig gestützt wird und dass der Harnröhren-Verschluss nicht mehr richtig arbeitet. Bei einem erhöhten Druck im Bauchraum etwa beim Lachen oder Husten oder dem Tragen von Lasten geht dann in Folge dieser Störung ungewollt Urin ab.
Beim männlichen Geschlecht sind es vor allem Operationen im Beckenraum und hier oft der Prostata sowie versehentliche Verletzungen von Muskeln und Nerven, die zu einer Belastungsinkontinenz führen. Eingriffe in Zusammenhang mit der Prostata bzw. Tumorerkrankungen der Prostata sind heute relativ häufig und werden nur dann gemacht, wenn sie unumgänglich sind. Dennoch muss ein Teil der Operierten damit rechnen, dass sich infolge des Eingriffs eine Harninkontinenz entwickelt. Die Höhe des Risikos ist immer individuell und hängt auch vom Lebensalter der Patienten ab. Das Know-how des Operateurs ist ebenfalls ausschlaggebend. Aber auch bei besten Voraussetzungen lässt sich das Risiko einer Inkontinenz nie zu hundert Prozent ausschließen. Eine gute ärztliche Beratung schon vor der Operation ist daher in diesem Fall besonders wichtig. Kommt es zu einer Harninkontinenz nach Prostatektomie, ist dies nicht automatisch ein Dauerschicksal, da sich diese oft binnen eines Jahres nach der OP bessert. Dennoch kommt es mitunter vor, dass die Störung dauerhaft wird. Größtmögliche Chance auf eine Besserung hat man, wenn die Inkontinenz im Rahmen der Reha nach Prostata-OP therapiert wird.
Bei einer Prostataentfernung kommt zur unabsichtlichen Verletzung von Nerven und Muskeln noch ein weiteres Risiko hinzu. Muss die Prostata etwa aufgrund einer Tumorerkrankung vollständig entfernt werden, kann der an sich gesunde Schließmuskel der Harnblase absinken. Seine veränderte Lage führt in der Folge mitunter dazu, dass der Muskel seine Aufgaben nicht mehr vollständig erfüllen kann.
Eine Urgeinkontinenz, wie die Dranginkontinenz auch genannt wird, führt sozusagen zu einer "Falschmeldung" des Körpers. Auch dann, wenn die Blase erst wenig gefüllt ist, signalisiert der Körper eine gefüllte Blase, die entleert werden muss. So kommt es zu einem starken, plötzlichen Harndrang und dazu, dass unfreiwillig Harn abgeht. Das tritt vor allem bei Frauen auf, während diese Störung bei Männern häufig ohne Urinverlust abläuft. Die Dranginkontinenz, auch Urgency genannt (wet Urcency bei Frauen und dry Urgency bei Männern) ist eine Störung, die mit zunehmendem Alter häufiger auftritt.
Hinter einer Dranginkontinenz kann eine ganze Fülle von Ursachen stecken. Etwa eine Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), die nicht ausreichend therapiert wird, oder neurologische Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson oder Multiple Sklerose. Weitere mögliche Ursachen sind Reizungen oder Schäden der Nervenbahnen - etwa nach Operationen. Auch Infekte der Harnwege und Blasensteine sind mögliche Auslöser.
Ein Hindernis, das den Abfluss des Harns am Ausgang der Blase behindert, kommt ebenfalls als Auslöser infrage. Das kann etwa eine Verengung der Harnröhre oder eine Vergrößerung der Prostata sein. Nicht zuletzt können psychosomatische Faktoren im Spiel sein. Oft bleibt die Frage nach der Ursache aber auch unbeantwortet, und ein Auslöser lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen.
Was kann man tun bei Dranginkontinenz?
Da es eine Vielzahl von möglichen Ursachen für die Urgeinkontinenz gibt, sind auch die Behandlungsansätze vielseitig. Eine Beschreibung möglicherweise geeigneter Therapieformen finden Sie auf dieser Seite.
Bei einer Überlaufinkontinenz ist die Blase permanent übermäßig gefüllt, da sie sich nicht mehr richtig entleeren kann. Verursacht wird das durch ein Hindernis wie etwa ein Myom, eine Vergrößerung der Prostata oder als Folge einer Senkung der Gebärmutter. Auch eine Schädigung der Nerven kann dazu führen, dass ständig Urin tröpfelt.
Bei dieser Form der Harninkontinenz erfolgt die Entleerung reflexartig und kann nicht mehr willentlich gesteuert werden. Als als mögliche Ursachen kommen Schäden der Nerven am Rückenmark oder im Gehirn infrage. Ausgelöst werden diese Schäden durch Erkrankungen wie Schlaganfall, Multiple Sklerose, die Parkinson-Erkrankung, Alzheimer sowie andere Demenzformen. Bei einer Querschnittslähmung kann ebenfalls eine Reflexinkontinenz auftreten. Häufig arbeiten die beteiligten Muskeln nicht mehr richtig zusammen, was dazu führt, dass stets ein wenig Harn in der Harnblase zurückbleibt.
Bestimmte Medikamente können eine Harninkontinenz fördern. Dazu zählen etwa Arzneien gegen Bluthochdruck (Betarezeptorenblocker) oder bei Alzheimer verschriebene Cholinesterase-Hemmer. Diese Mittel können den Blasenmuskel so stimulieren, dass ein Entleerungsreiz entsteht. In der Folge wird eine Dranginkontinenz ausgelöst oder zumindest verstärkt.
Auch die sogenannten wassertreibenden Arzneien (Diuretika) können eine Harninkontinenz unter Umständen verschlechtern. Sie sorgen dafür, dass der Körper vermehrt Flüssigkeit ausscheidet.
Ein mögliches Zusammenspiel von Medikamenten mit einer Harninkontinenz sollte immer mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Arzneien können unter Umständen durch besser geeignete Mittel ersetzt werden, sollten aber nie ohne Rücksprache mit dem Arzt abgesetzt werden.
Facharzt für Urologie
MD, Ph.D
Tätigkeitsschwerpunkt
Andrologie/Sexualstörungen
Facharzt für Urologie
Medikamentöse Tumor-
therapie
Telefon: 09708 79-9344
E-Mail: bb-sek-urologie@hescuro.de
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