Wie kann es gelingen – mit ausreichend guter Gesundheit – ein hohes Lebensalter zu erreichen?

In weit fortentwickelten Industrieländern, zu denen auch Deutschland zählt, finden sich zunehmend ältere Menschen. Unter anderem haben zahlreiche soziale Errungenschaften, wie zum Beispiel auch der medizinische Fortschritt, dazu beigetragen, dass viele Erkrankungen mittlerweile gelindert oder geheilt werden können.

Aktuell leben in Deutschland beispielsweise rund 23.500 Menschen, welche als „100 plus“ bezeichnet werden, 2011 lag die Zahl noch bei 12.565 Personen. Menschen, welche mindestens 110 Jahre alt sind, werden übrigens als „Supercentenarian“ bezeichnet. Nach Schätzungen leben aktuell 300 bis 450 Personen auf der Welt, bei denen dies zutrifft.

Organreserven schwinden

Der Alterungsprozess ist keine Krankheit, sondern ein natürlicher, unterschiedlich schnell ablaufender Prozess. Dieser beginnt bereits nach der Geburt. Ab etwa dem 30. Lebensjahr kommt es zu einer Abnahme der Organreserven, bestimmte Funktionen (relevant ist zum Beispiel eine abnehmende Herz- Kreislauffunktion) können im Alter schlechter kompensiert werden.

Ein häufig verwendeter Begriff in der Altersmedizin ist „Frailty“. Dieses geriatrische Syndrom zeichnet sich unter anderem durch die Einbuße an physiologischen Reserven und einer erhöhten Verletzlichkeit gegenüber externen Stressoren aus.

Älteste Frau wurde 122

Das bisher beim Menschen maximal dokumentierte Lebensalter hat Jeanne Calment erreicht. Sie starb 1997 im Alter von 122 Jahren. Viele Biologen vermuten, dass menschliche Zellen maximal diese Lebenserwartung besitzen. Wenn man nun denkt, dass Frau Calment in allen Bereichen besonders gesund gelebt hat, trifft das nicht zu. Sie selbst meinte, dass sie nie etwas tat, um gesund zu bleiben.

Was beispielsweise das Rauchen betrifft, hat sie mit 21 Jahren damit begonnen, mit 117 Jahren erstmals aufgehört und nach einem Rückfall den Nikotinkonsum tatsächlich erst mit 119 Jahren beendet. Sicherlich fällt einem in diesem Zusammenhang auch unser ehemaliger Bundeskanzler Helmut Schmidt ein. Auch mit Sport war Frau Calment eher zurückhaltend. Zwar fuhr sie bis zum 100. Lebensjahr noch Fahrrad und begann mit 75 Jahren mit dem Fechten, ansonsten war sie aber nicht besonders sportlich.

Genetische Veranlagung?

Welche Parameter kann man mit einer hohen bis sehr hohen Lebenserwartung in Verbindung bringen? Bei Frau Calment sowie auch bei vielen anderen hochbetagten Menschen lässt ein Blick in die nähere Verwandtschaft schon erkennen, dass hier ein biologischer Vorteil besteht (der Vater wurde 93 Jahre alt, die Mutter 86 und der Bruder 97 Jahre).

Jeanne Calment selbst führte ihr hohes Alter vor allem auf das Essen von Olivenöl, Knoblauch und Gemüse sowie auf den Genuss von Portwein zurück. Hier kann man durchaus – wenn der Portwein in moderater Menge genossen wird – eine Übereinstimmung mit der mediterranen Kost herstellen.

Soziales Umfeld und Wohlstand

Auch zeigen sich immer wieder zwei weitere wichtige Umstände, welche oft mit einem hohen Lebensalter einhergehen. Das soziale Umfeld sollte intakt sein. Regelmäßige, bereichernde, zwischenmenschliche Kontakte sind unerlässlich. Früher war dies tatsächlich ortsgebunden, durch moderne Medien, soweit der alte Mensch diese schon beherrscht, scheint dies jedoch keinen vorrangigen Stellenplatz mehr einzunehmen.

Auch ist „Wohlstand“ ein weiterer wichtiger Parameter, um das Ziel „hohes Lebensalter“ zu erreichen. Im Gegensatz dazu kann man „Altersarmut“ durchaus als „Lebenszeiträuber“ ansehen. Und natürlich spielt auch der Zufall, man könnte auch Schicksal dazu sagen, eine Rolle. In einer naturwissenschaftlich dominierten Welt, welche uns eine allumfassende Problemlösung anbietet, ist das jedoch häufig nur schwer zu akzeptieren.

Zum Schluss sei darauf hingewiesen, dass das Erreichen eines möglichst hohen Lebensalters, natürlich immer im Kontext mit der gesundheitlichen Situation des jeweiligen Individuums zu betrachten ist. Deshalb ist in den letzten Jahren vor allem auch der Anstieg der „behinderungs-freien Lebensjahre“ (disability-free life expentency) in den Vordergrund gerückt.

Dr. Dietmar Brückl
Chefarzt der Abteilung Innere Medizin

Facharzt für Innere Medizin
Diabetologie, Ernährungsmedizin, Sozialmedizin

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