Coronavirus und Diabetes
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Den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung kann im Vorfeld niemand vorhersehen. Dementsprechend groß ist die Angst vor der COVID-19-Pandemie und ihren Folgen für die eigene Gesundheit. Während einige Patienten die Krankheit nicht einmal bemerken oder lediglich an milden Symptomen leiden, erkranken andere Menschen schwer bis lebensgefährlich. Der Krankheitsverlauf scheint also stark von der individuellen körperlichen Konstitution, dem Alter und möglichen Vorerkrankungen abzuhängen. Demnach gibt es einige Risikogruppen, bei denen die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Krankheitsverlauf durch SARS-CoV-2 deutlich erhöht ist. Dazu zählen u.a. Personen mit Diabetes mellitus. Wir informieren über das tatsächliche Risiko, mögliche Schutzmaßnahmen und den Umgang mit der Krankheit.
Sind Menschen mit Diabetes durch Corona besonders gefährdet?
Laut Robert Koch Institut haben Menschen mit einer Zuckerkrankheit sowohl ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf als auch eine größere Ansteckungsgefahr als Personen ohne Diabetes. Eine Meinung, die zahlreiche Fachärzte und Diabetologen teilen. Schließlich ist die Mortalitätsrate nach dem Ärzteblatt bei Diabetikern um rund 50 Prozent erhöht; laut einer französischen Studie starb jeder 10 Patient mit Diabetes innerhalb einer Woche nach der stationären Aufnahme.
Gegenteilig ist hingegen die Aussage der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), nach der ansonsten gesunde Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes und guter Blutzuckereinstellung nicht zwangsläufig zur Risikogruppe gehören. Obwohl zahlreiche Beobachtungen dafürsprechen, lässt es sich aktuell also nicht mit hundertprozentiger Sicherheit belegen, ob das Risiko für zuckerkranke Patienten tatsächlich erhöht ist. Schon allein deshalb ist eine gesundheitliche Aufklärung der Betroffenen über mögliche Risiken und wirkungsvolle Präventionsmaßnahmen gegen das Coronavirus immens wichtig.
Inwiefern kann das Coronavirus durch Diabetes begünstigt werden?
Diabetiker ist nicht gleich Diabetiker, so dass eine Infektion im Falle einer Zuckerkrankheit völlig unterschiedlich verlaufen kann. Unabhängig davon lassen sich jedoch einige Faktoren ausmachen, die einen schweren Verlauf von COVID-19 begünstigen können.
Begleiterkrankungen & Alter
Ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerwert kommt selten allein, sondern wird häufig von Adipositas und / oder diversen Folgeerkrankungen begleitet, die das Immunsystem schwächen. Dazu zählen u. a. Bluthochdruck, Gefäßerkrankungen und eine diabetische Nephropathie. Auch das höhere Alter der Betroffenen – das gilt vor allem für Diabetiker des Typs 2 – spielt eine wichtige Rolle für den Verlauf von COVID-19.
Anstieg des Blutzuckerspiegels durch Cortisol
Durch eine Corona-Infektion gerät der Körper des Betroffenen massiv unter Stress und schüttet vermehrt das Hormon Cortisol aus, was zu einer Erhöhung des Blutzuckerspiegels führt. Bei Diabetikern, denen ohnehin zu wenig Insulin zur Regulierung des Blutzuckers zur Verfügung steht, kann dies fatale Folgen nach sich ziehen. Wird die Insulingabe nicht erhöht, kommt es schlimmstenfalls zu einer Übersäuerung des Bluts mit sauren Stoffwechselprodukten (Ketonkörpern) oder mit Milchsäure (Laktat). Diese sogenannte Ketoazidose bzw. Laktatazidose gelten als Stoffwechselentgleisungen, die unbehandelt ein schweres diabetisches Koma hervorrufen können. Dabei tragen Menschen mit Typ-1-Diabetes, die nur wenig oder gar kein Insulin mehr produzieren, ein ungleich höheres Übersäuerungsrisiko als Menschen mit einer Diabetes-Erkrankung vom Typ-2.
Insulinresistenz mit Hyperinsulinämie
Die Voraussetzung für ein kraftvolles Immunsystem ist u. a. eine gute Insulinsensivität. Entsteht hingegen eine Insulinresistenz, d. h. eine verminderte Wirkung des Peptidhormons Insulin, verringert sich Studien zufolge die Aktivität der T-Lymphozyten, kurz T-Zellen, die für eine intakte Immunantwort verantwortlich sind. So erklärt es sich, dass Diabetiker generell ein erhöhtes Risiko tragen, an Infektionen wie dem neuartigen Coronavirus zu erkranken.
Erhöhte ACE2-Aktivität bei Diabetes
Das Protein ACE2 (Angiotensin-konvertierendes Enzym 2) wird hauptsächlich in der Bauchspeicheldrüse, im Herzen, in den Lungen, in den Nieren und im Gefäßendothel exprimiert und ist bei Diabetikern in zahlreichen Organen erhöht. Die Ursache könnte eine mögliche Gegenreaktion des Körpers auf den aus dem Gleichgewicht geratenen Stoffwechsel sein. Zugleich nutzen sowohl SARS-CoV-1 als auch das SARS-CoV-2-Virus das Protein als Eintrittspforte in den menschlichen Organismus, so dass die erhöhte Produktion bei Diabetikern dem Virus gewissermaßen als Türöffner dient. Da sich die Rezeptoren nicht nur in der Lunge befinden, sondern ebenso in anderen Organen, können bei einem schweren Krankheitsverlauf auch andere Körperregionen massiv geschädigt werden. Dies betrifft im Übrigen nicht nur Zuckerkranke, sondern alle mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Personen.
Störung der Balance zwischen ACE1 und ACE2
Es gilt als erwiesen, dass SARS-CoV-1 nach der Infizierung einer Zelle die Produktion von ACE2 herunterfährt und dadurch die Balance zwischen ACE1 und ACE2 stört. Daher kommt es zu einer Überstimulierung des den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt regulierenden Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) und einer entzündungsfördernden und metabolisch ungünstigen Stoffwechsellage, die das Risiko für ein akutes Lungenversagen (Acute Respiratory Distress Syndrome) erhöht. Ob dies auch für COVID-19-Patienten zutrifft, ist noch nicht endgültig belegt, ist aber sehr wahrscheinlich.
Kann das Coronavirus Diabetes auslösen?
Aktuelle Beobachtungen aus Wuhan und frühere Studien mit SARS-CoV-1 zeigen, dass Diabetes durch COVID-19 ausgelöst werden kann. So kann SARS-CoV-2 durch den Eintritt über ACE2 mit großer Wahrscheinlichkeit die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse infizieren und auf diese Weise die Betazellen des Pankreas zerstören, was den erhöhten Bedarf an Insulin im Laufe einer COVID-19-Infektion erklärt. Um die Erkenntnisse über die post-COVID-19-Diabetes zu bündeln und auszuwerten, wurde im Rahmen des CoviDIAB-Projektes ein weltweites Register eingeführt, in dem alle durch das Coronavirus hervorgerufenen Zuckerkrankheiten gelistet werden.
Was müssen Diabetiker im Falle einer Infektion von SARS-CoV-2 beachten?
Trifft das Coronavirus auf einen Diabetes, müssen je nach Diabetes-Typ einige Dinge beachtet und mit dem behandelnden Arzt abgeklärt werden:
- Muss der Blutzucker eventuell häufiger gemessen werden?
- Wann sollten die Ketonwerte gemessen werden und was ist bei einer Erhöhung zu tun?
- Bestehen eventuell Wechselwirkungen zwischen den Diabetes-Medikamenten und den Mitteln gegen die Infektion?
- Muss die Diabetes-Therapie im Krankheitsfall verändert werden, beispielsweise durch eine erhöhte Insulingabe?
Wie kann eine mögliche häusliche Quarantäne vorbereitet werden?
Sollte es zu einer häuslichen Quarantäne kommen, ist eine gute Vorbereitung das A & O. Dies gilt besonders für Diabetiker, die auf eine regelmäßige Medikation bzw. Hilfsmittel angewiesen sind. So sollten alle Arzneimittel inklusive Hilfsmittel wie Teststreifen oder Sensoren ausreichend bevorratet werden. Da eine Virusinfektion den gesamten Glukose-Haushalt aus dem Gleichgewicht bringen kann, sollte dabei auch eine eventuell erforderliche Erhöhung der Dosierung berücksichtigt werden. Falls es durch die Zuckererkrankung häufig zu Unterzuckerung kommt, sollten genügend schnell wirksame Kohlenhydrate wie Saft, Gummibärchen oder Traubenzucker vorrätig sein.
Was passiert, wenn mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierte Diabetiker ins Krankenhaus müssen?
Kommt es zu einem schweren Verlauf der Coronavirus-Infektion und der Einweisung in eine Klinik, sollte das Krankenhauspersonal unverzüglich auf den vorhandenen Diabetes hingewiesen werden. Für eine umfassende Information der Ärzte und Pfleger ist es wichtig, neben der Krankenkassenkarte ebenfalls den Gesundheitspass Diabetes und das Diabetes-Tagebuch mitzunehmen. Die Kontrolle des Blutzuckers obliegt dem Patienten, so lange er dazu gesundheitlich in der Lage ist. Bei einer Verschlechterung werden die Messungen vom Pflegepersonal vorgenommen und die Therapie vom Stationsarzt festgelegt.
Wie können sich Diabetiker vor COVID-19 schützen?
Abseits der allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen wie dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, dem Abstandhalten und einer gründlichen Handhygiene, sollten Patienten mit Diabetes das Coronavirus zum Anlass nehmen, den eigenen Lebensstil gründlich zu überdenken und zu verändern. So kann die Umstellung auf eine stoffwechselgerechte und kohlenhydratarme Ernährung die Insulinsensivität innerhalb kürzester Zeit verbessern und damit zugleich die Immunabwehr stärken. Auch ein regelmäßig durchgeführter Kraft- und Ausdauersport trägt dazu bei, den Insulinhaushalt zu stabilisieren und den Körper bei der Prävention einer SARS-CoV-2-Infektion zu unterstützen.
Um dem Corona-Virus so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten, ist ein kompletter Impfschutz wichtig. Dies gilt besonders für eine Pneumokokken-Impfung. Schließlich treten Pneumokokken vermehrt nach Virusinfektionen auf, so dass durch die Impfung eine "Superinfektion" verhindert werden kann.
Was kann eine Diabetes-Reha im Kampf gegen Corona leisten?
Die Aufgabe liebgewonnener und ritualisierter Lebensweisen ist nicht immer leicht; auch dann nicht, wenn sie der Gesundheit abträglich sind. Eine Rehabilitation kann Diabetikern dabei helfen, dem Virus "die Zähne zu zeigen", den allgemeinen Gesundheitszustand zu verbessern und die Vitalität und Lebensfreude deutlich zu steigern.
Im Rehabilitations- und Präventionszentrum Bad Bocklet stehen Menschen mit Diabetes Typ-1 und Typ-2 und den damit verbundenen Folgeerkrankungen folgende Angebote zur Verfügung:
Zur gezielten Stärkung des Immunsystems bieten wir eine spezifische Rehabilitationsmaßnahme an:
Für weiterführende Informationen zu unseren Angeboten und Präventionsmaßnahmen stehen wir gerne zur Verfügung.
Quellen:
https://www.diabetes-ratgeber.net/Coronavirus
https://www.diabetes-ratgeber.net/Coronavirus/Diabetes-und-COVID-19-Wann-kommt-es-zu-schweren-Verlaeufen-558587.html
https://www.diabetes-ratgeber.net/Diabetes/Ketoazidose-27652.html
https://www.diabetes-ratgeber.net/Diabetes/Laktatazidose-27736.html
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/113818/Studie-COVID-19-kann-einen-Diabetes-ausloesen
https://www.aerzteblatt.de/archiv/214485/Erhoehtes-Sterberisiko-COVID-19-und-Diabetes-eine-unheilige-Allianz
https://flexikon.doccheck.com/de/Insulinresistenz#:~:text=Die%20Insulinresistenz%20geht%20mit%20einer,der%20Entwicklung%20des%20metabolischen%20Syndroms.
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/111702/COVID-19-Loesliche-ACE2-Rezeptoren-sollen-Viren-stoppen
https://www.diabetesde.org/diabetes-coronavirus-haeusliche-quarantaene-tipps-richtige-vorbereitung
https://www.apotheken-umschau.de/Coronavirus/Coronavirus-Was-bringt-die-Pneumokokken-Impfung-557785.html