Fibromyalgie oder die Schwierigkeit, Weltbilder zu verändern

Fibromyalgie Faser-Muskel-Schmerz

Fibromyalgie (Faser-Muskel-Schmerz) ist eine Erkrankung, die schwer mit den Standardmethoden der Medizin zu erfassen ist. Die Patienten klagen über starke Schmerzen im ganzen Körper, MorgensteifigkeitSchlafstörungen und eine Vielfalt von begleitenden Symptomen. Bezüglich der Entstehung von Fibromyalgie wird aktuell eine Störung schmerzverarbeitender Systeme im zentralen Nervensystem angenommen. Deshalb finden sich weder im Blutbild noch mit gängigen bildgebenden Verfahren spezifische Auffälligkeiten. Es lassen sich keine Organschädigungen nachweisen. Auf den ersten Blick erscheint der Patient „gesund".

Die Medizin beschäftigte sich schon im 19. Jahrhundert mit dem Krankheitsbild, so soll z.B. Charles Darwin unter dieser Erkrankung gelitten haben. Das American College of Rheumatology einigte 1990 sich auf die Bezeichnung Fibromyalgie. Unter diesem Begriff wurde die Erkrankung auch in der Internationalen Klassifikation der Erkrankungen der Weltgesundheitsorganisation aufgenommen. In der aktuellsten Version findet man die Fibromyalgie unter der Nummer M79.9. Vor vier Jahren wurde von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) eine Leitlinie Fibromyalgie herausgegeben. An deren Entwicklung waren 12 medizinische Fachverbände beteiligt. Wer heute in wissenschaftlichen Datenbanken unter dem Stichwort Fibromyalgie sucht, findet nahezu 7000 wissenschaftliche Arbeiten zu diesem Thema.

Vor diesem Hintergrund sollte man meinen, dass es bezüglich der Frage, ob es diese Krankheit gibt, keine Zweifel bestehen. Da die Patienten aber auf den ersten Blick gesund erscheinen und somit nicht in das bestehende Weltbild einiger Vertreter von Gesundheitsberufen passen, verweisen sie die Diagnose „Fibromyalgie" ins Reich der Märchen oder der Psychologie.

Dieses Phänomen zieht sich durch die Medizingeschichte wie ein roter Faden. Wenn sich körperliche Phänomene nicht ohne weiteres erklären lassen, müssen sie eine psychische Ursache haben. Oder aber eine teuflische - entsprechend wurde Epilepsie-Patienten im Mittelalter gerne mal ein Loch in den Schädel geklopft um die bösen Geister entweichen zu lassen, wahlweise wurde ein Exorzismus durchgeführt. Man muss jedoch gar nicht so weit in der Geschichte zurück, um entsprechende Beispiele zu finden. So wurde bis weit in die 80er Jahre angenommen, Magengeschwüre hätten psychische Ursachen und man versuchte, die Patienten mittels Psychotherapie zu kurieren. Im Jahre 1983 wurde das Bakterium Helicobacter pylori entdeckt. Auch diese Entdeckung wurde von der medizinischen Welt lange Zeit nicht ernstgenommen. Erst Ende der 80er wurde das Bakterium weltweit als Ursache des Ulcus anerkannt. Seither werden Magengeschwüre erfolgreich mit einer Kombination von Antibiotika und Protonenpumpenhemmern behandelt. 2005 wurden die Entdecker des Bakteriums dafür mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Allen in der Medizin tätigen sollte ihr Weltbild dahingehend erweitern, dass wir heute nur erkennen können, was unsere wissenschaftlichen Methoden und diagnostischen Mittel zulassen. Nur weil wir heute die Ursachen einer Erkrankung nicht erkennen können und nicht verstehen, heißt nicht, dass es diese Ursachen nicht gibt oder eine Erkrankung psychisch bedingt ist.