Ärzte und Psychotherapeuten
Ärzte und Psychotherapeuten als Patienten – welche Besonderheiten gibt es dabei? Helfende Berufe besitzen ein besonders hohes Risikopotential für die Entwicklung eines Burnout- Syndroms oder psychischer Störungen wie Depression, Angststörungen oder Suchtverhalten. Es erscheint widersprüchlich, dass gerade diejenigen gefährdet sind, die anderen helfen. Wenn Profis zu Profis gehen, bedeutet dies in der Regel einen sehr großen Schritt, insbesondere bei psychischen Erkrankungen, denn eigentlich müssten sie es besser wissen.
Tabuthema psychische Probleme
Eigene psychische Probleme sind jedoch immer noch ein Tabu-Thema. Studien zeigen, dass Ärzte – und bei psychischen Problemen auch Psychotherapeuten – schlechter versorgt sind als die Allgemeinbevölkerung.
Sie sind auch vor psychischen Erkrankungen nicht geschützt. Im Gegenteil, Burnout, Depressionen, Angststörungen, Missbrauch von Suchtstoffen und Suizidalität treten bei Ärzten und angehenden Ärzten in Deutschland häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung.
Hintergrund hierfür sind Belastungen durch berufsspezifische Arbeitsbedingungen, wie zum Beispiel lange, oft ungeregelte Arbeitszeiten mit Überstunden und Schichtdiensten, zunehmende Arbeitsverdichtung v. a. aufgrund von Personalmangel in den Kliniken, Zeitdruck bei einem hohen Maß an Verantwortung und einer zunehmenden Bürokratisierung ärztlicher Tätigkeit bei mangelhafter Unterstützung durch digitale Ausstattungen. Hinzu kommen bürokratische Vorgaben wie Fallzahlen, Belegungsverantwortung und die Verschiebung des Aufgabenbereichs weg von der genuinen ärztlichen Tätigkeit hin zu Dokumentation und bürokratischen Aktivitäten, was den Arzt von seinen ursprünglichen Berufszielen entfernt und zu Entfremdung und Sinnkrisen führen kann.
Hoher Erwartungsdruck
Oftmals nicht einfache Arzt-Patienten-Beziehungen bei hohen Patientenerwartungen und Probleme bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschweren die Situation. Besondere Belastungen sind in der Corona-Pandemie hinzugekommen.
Wichtige individuelle, Burnout begünstigende Faktoren sind u. a. Idealismus, hohes Verantwortungsbewusstsein und Perfektionismus sowie der Wunsch, alles selbst machen zu wollen. Überhöhte Selbstansprüche und das Negieren von Überforderung sind nicht selten bei Ärzten. Die eigene Expertise schützt hierbei weder vor Burnout, einer Depression oder Angststörung, noch vor einer Suchterkrankung, sondern erschwert im Gegenteil oftmals den Zugang zur Behandlung.
Psychotherapeuten helfen anderen bei psychischen Störungen – nicht wenige sind selbst psychisch erkrankt, so die Ergebnisse verschiedener Studien. Häufig sind emotionale Erschöpfung mit Verlust der Leistungsfähigkeit und Schlafstörungen sowie weitere Burnout-Symptome die Folge, aber auch manifeste Depressionen und Angststörungen.
Die Hintergründe dafür können vielfältig sein: Hohe Erwartungen der Patienten an die Psychotherapie und im Hinblick auf eine kontinuierliche Empathie, aber auch die Konfrontation mit schweren Schicksalen. Hier ist die Fähigkeit zu einer erforderlichen Abgrenzung nicht immer einfach, was gerade bei der Arbeit mit Patienten, die unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden, problematisch ist. Aber auch biographische Aspekte, die eine Vulnerabilität begründen, können eine Rolle spielen.
Befürchtungen vor Stigmatisierung
Viele Betroffene fürchten die Stigmatisierung ihrer Person, wenn ihre Erkrankung bekannt würde, weshalb sich ein großer Teil der betroffenen Psychotherapeuten keine Hilfe sucht. Gründe dafür sind zudem Scham und Angst vor beruflichen Nachteilen. Von Psychotherapeuten wird erwartet, dass sie stets psychisch gesund und stabil sind. Vor diesem Hintergrund mag der Schritt, sich Hilfe von Kollegen zu suchen, gerade für Psychotherapeuten eine erhebliche Barriere darstellen. Jedoch auch von Chirurgen erwartet man nicht, dass sie sich selbst operieren.